«Heute Alpamare, morgen gehen wir dann in den Zoo. Mittwoch weiss ich noch nicht, vielleicht Swiss Miniature, und am Wochenende sind dann wieder zwei Kinderfestivals», zählte eine Mutter einer anderen Mutter das Wochenprogramm auf – mit etwas ratlosem Blick auf die vier Sprösslinge, die im Zugabteil herumtobten . Der Sommerferien-Kinder-Bespassungsmarathon ist in vollem Gange.
Ich versteh ja, dass man die Kinder abends müde im Bett haben will. Und ich finds auch gut, dass man in den Sommerferien mal was gemeinsam unternimmt, wenn man schon Ferien hat. Aber brauchen Kids wirklich dieses Endlosprogramm?
Ich kann mich erinnern, dass ich die Sommerferien vor allem deshalb mochte, weil mir kein nerviger Erwachsener mit irgendwelchen Aktivitäten auf den Sack ging. Meine Mutter unternahm ab und zu etwas mit uns, aber ehrlich, meistens konnten wir uns nicht mehr als einen Eintritt pro zwei Wochen leisten. Weder ins Alpamare noch in den Zoo. Und eben, ich war ganz glücklich so ohne Programm.
Wandern? *Klick, peng*
In die Badi, an Mamis Rockzipfel? *Not*
Museen? *Üärks*
Kinder, die ich nicht kannte, mit denen ich aber spielen sollte? *Tot umfall*
Ich konnte, durfte, musste mich mit mir selbst beschäftigen. Meine Mutter wollte zwar wissen, wo ich unterwegs war (mit 6), aber sonst vertraute sie mir. Und meistens war das unheimlich geil und ging gut. Naja, ausser als ich den Friedhof in Brand steckte (Sorry nochmals, Stadtverwaltung Dübendorf!) oder Strassenzoll von anderen Kindern eintreiben wollte (Ihr habt bei mir einen Kafi gut, ehrlich!). Ich hatte eine Badi-Saisonkarte, sobald ich bewiesen hatte, dass ich 50 Meter schwimmen konnte ohne abzusaufen. Ich hatte eine innige Beziehung zu meinem Velo, sobald es ohne Stützräder ging, weil es Freiheit bedeutete. Ich gab ihm sogar einen Namen. Und ich verdanke ihm so manche Narbe.
Aber in erster Linie lernte ich, mit Langeweile umzugehen. Ich lernte, eine Frustrationstoleranz zu entwickeln. Dort – und genau dort – startete mein kreatives Leben. Ich musste aus wenig oder nichts etwas Spannendes machen. Natürlich las ich viel. Aber irgendwann begann ich selbst Geschichten zu erfinden. Oder ich bastelte die Welt aus meinen Büchern in der Realität, aus allem was ich fand, nach. Ich entwickelte Vorstellungskraft und Fantasie. Ich lernte, eigene Entscheidungen zu treffen – und dann auch die Konsequenzen (Arztbesuche, Hausarrest, Taschengeldsperre, persönliche Entschuldigungen bei diversen Eltern, etc.) zu tragen.
Ich weiss, das hört sich extrem nach «Früher war alles besser» an. Aber so ist es nicht. Naja, wenigstens nicht ganz. Ich freute mich dann doch auch auf unsere Ausflüge. In erster Linie, weil sie aussergewöhnlich waren.
Ich habe den Verdacht, dass dieses kontinuierliche Bespassungsprogramm in den Kids eine gewisse Erwartungshaltung generiert. Jeder Ausflug muss noch geiler sein, jede freie Minute, die nicht mit Action gefüllt ist, ist wertlos. Kurz: So züchtet man sich kleine Konsumenten heran, die mit 18 in den Club gehen und böse Kommentare schreiben, wenn das Programm nicht den Wünschen entspricht. Man zieht ganz sicher keine Kids gross, die mit 16 ein eigenes Label gründen oder sonst irgendwie Initiative zeigen.
Vielleicht ist das übertrieben. Ich weiss es nicht, ich habe keine Kinder. Ich hab aber das Gefühl, dass es wert ist, mal fünf Minuten darüber nachzudenken.
Der Beitrag Der Kinder-Bespassungsmarathon erschien zuerst auf Stadtblog.