In unserer Serie über Zürcher Badis haben wir mal mit der Regel gebrochen und unseren Tester in eine kleine Provinzbadi auf dem Land geschickt, um zu schauen, ob ein Stadtzürcher auch da überleben kann. Hier der Bericht.
Ich werde nicht verraten, wo genau ich war, nur so viel: Man braucht eine knappe Stunde, um vom HB an den Ort zu gelangen, an dem ich mich ins kühle Nass stürzen wollte. Und ich habs den Leuten da nicht einfach gemacht: Da das Gerücht umgeht, Stadtzürcher seien ausserhalb der Stadt nicht überall gerne gesehen, hab ich mich ganz klar als laute Zürischnurre zu erkennen gegeben.
Aber bereits am Eingang brachten die Leute auf dem Land mich zum ersten Mal zum Verstummen: Als ich nach dem Eintrittspreis fragte, verlangte die Dame vier Franken. Für vier Franken kriegt man in Zürich nicht mal einen Kaffee! Im Tiefpreisschock stolperte ich weiter, um mir einen guten Platz zu suchen, und wenn nötig, darum zu kämpfen.
Aber nichts da. Überall hatte es noch freie Plätze, und die Leute waren weder nach sozialen Status, noch nach Geschlecht oder Familienstand aufgeteilt, wie mans aus der Stadt kennt. Nein, die Menschen sassen wild durcheinandergewürfelt beieinander: Familien bei Singles, Jugendliche und alte Pärchen, Portugiesen, Schweizer, Thais, Deutsche, ein einig Badivolk. Sogar Männer und Frauen sassen da gemischt auf der Wiese, nirgends ein Frauendeck oder eine Männerecke. Ich war beeindruckt. Wenn man nur eine Badi im Städtchen hat (und es so heiss ist), zeigt sich die Fähigkeit zur Intergration. Die Badi war offenbar ein soziologischer Querschnitt durch die lokale Bevölkerung, und die Durchmischung machte offenbar allen Spass. Wir weltoffenen Zürcher, die für jede Alterstufe und Geisteshaltung eine eigene Badi haben müssen, können uns hier wohl eine Scheibe abschneiden.
Aber so leicht war ich nicht zu beeindrucken. Schliesslich war ich hier, um die Tauglichkeit der Badi für Stadtzürcher zu testen. Also gab ich mich als Stadtzürcher zu erkennen: Ich breitete mein Batik-Bali-Tuch mit einer Hand aus, während ich lautstark neudeutsche Sätze über wichtige Projekte in mein Handy schwadronierte: «Los emal, das muesch asap fixe, suscht chömemer nie ziitnah uf en Organisationslevel, wo mer perfome chönd, weisch.»
Niemand schien besonders beeindruckt oder genervt. Ich hätte mir wahrscheinlich schon irgendwas an den Kopf geworfen. Gut, dann ab zu Stufe Zwei. Ich verteilte meine Statussymbole rund um mein Tuch: Handy, Ersatzhandy, iPad und ein Kindle, die ganzen elektronischen Angebersachen, die man in Zürcher Badis zuhauf sieht. Wiederum keine Reaktion, nicht mal ein kleines Stirnrunzeln des älteren Herrn nebenan. Gut, Drei zu Null für die Provinz.
So, nun musste ich aber noch Einen draufsetzen: Ich machte mich auf zum Badikiosk und verlangte einen «Espresso doppio mit Milchschaum». Die Frau strahlte mich an und meinte, sowas habe hier noch niemand bestellt, aber sie werde versuchen, es hinzukriegen. Stirnrunzelnd sah sie die Kaffeemaschine an. Ich setzte mich und schon nach wenigen Minuten hatte ich meinen gewünschten Spezialkaffee. Sie hätte erst Milch für eine Schoggi rauslassen müssen und diese dann schäumen, aber obs in Ordnung sei so. Ich bedankte mich herzlich. Und bezahlte unter vier Franken dafür.
Nun, langsam entspannte ich mich ein wenig. Ich verräumte die Angebersachen und begann, die Umgebung zu beobachten. Da waren drei junge Mütter mit ihren Babies, von denen immer eins ein wenig jammerte. Doch das schien niemanden zu stören und die Mamis versuchten auch nicht, mit gehetztem Blick ihren Nachwuchs zum Schweigen zu bringen. Ein wenig weiter eine Studentin mit dem typischen kleinen gelben Reklam-Buch und einem ungeheuer hässlichen Sonnenhut. Auch sie schien sich nicht um ihr Image, sondern um einen möglichen Sonnenstich zu sorgen.
Weiter gings. Ich machte mich also auf ins Wasser. Beim Weicheier-Einstieg, wo ältere Menschen wie ich langsam ins Wasser können, spielten einige Kids und spritzten sich gegenseitig an. Sie erwischten auch mich. Und als sie mein erschrockenes Gesicht sahen, entschuldigten sie sich höflich und machten sich nicht etwa lustig über mich.
Das war mir dann schon beinahe zuviel Idylle. Aber ehrlich, wäre die Badi etwas näher an der Stadt, ich würde dort wohl mehr Zeit verbringen, als in den bisher getesteten Badis Tiefenbrunnen, Letten oder Enge. Es ist einfach um Welten entspannter.
Aber keine Angst, bald berichten wir wieder aus einem Stadtbad.
Der Beitrag In der Provinz-Badi erschien zuerst auf Stadtblog.